Seite zuletzt bearbeitet: 23.02.2024
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100 JAHRE NOSFERATU

Weil ich als Stummfilm-Musiker seit 1993 NOSFERATU begleite, konnte ich herausfinden, daß Murnau und sein Lebensgefährte und Assistent Walter Spies im Film als Statisten mitwirkten:

Friedrich Wilhelm Murnau und der Fluch des Nosferatu

„Nosferatu. Tönt dies Wort Dich nicht an wie der mitternächtige Ruf eines Totenvogels. Hüte Dich, es zu sagen, sonst verblassen die Bilder des Lebens zu Schatten, spukhafte Träume steigen aus dem Herzen und nähren sich von Deinem Blut.“ Frei nach Bram Stokers Dracula schrieb Henrik Galeen das Drehbuch zu Nosferatu. Eine leidenschaftliche Filmcrew und geniale Schauspieler trugen zum Erfolg des Films bei. Beispielsweise der Produzent Albin Grau mit seiner Vorliebe für okkulte Themen – er zeichnete auch für Kostüme und Filmbauten verantwortlich - oder der junge talentierte Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau, der sich zu manchen Filmszenen von großen Malern wie Caspar David Friedrich oder Arnold Böcklin inspirieren ließ. Für die stärksten Gruselmomente des Films sorgten aber Schauspieler wie Alexander Granach, der den völlig durchgeknallten Bösewicht Knock spielte und vor allem Max Schreck als blutsaugende Nachtgestalt Graf Orlok alias Nosferatu. Glatzköpfig, spindeldürr, mit krallenartigen Fingernägeln, Fledermausohren und spitzen Schneidezähnen brachte er das Grauen ins Kino. Im Juli 1921 begannen die Dreharbeiten der neu gegründeten Prana-Film GmbH mit Außenaufnahmen in Wismar. Die Stadt wird im Film als Wisborg bezeichnet. Weitere Dreharbeiten zu Nosferatu fanden in Lübeck und Rostock statt. Die Strandszenen drehte Murnau auf der Insel Sylt und das gruselige Vampir-Schloss fand das Produktionsteam um Albin Grau in den Karpaten auf der Arwaburg. Die Filmcrew setzte auf reale Drehorte und weniger auf Studioatmosphäre, umso realistischer musste das Grauen auf die Besucher im Kino wirken.

Am 4. März 1922 wurde Nosferatu im Berliner Marmorsaal am Zoo uraufgeführt.

Mit Nosferatu schuf Regisseur Murnau einen Gruselklassiker für die Ewigkeit und beeinflusste ein neues Genre, den Horrorfilm. Zunächst war dem Film allerdings nur wenig kommerzieller Erfolg und eine ungewisse Zukunft beschieden. Weil sich Albin Grau die Rechte an Bram Stokers Dracula nicht gesichert hatte, verklagte Stokers Witwe Florence die Prana-Film GmbH.

1925 entschied ein Berliner Gericht, dass sämtliche Kopien und Materialien zu Nosferatu vernichtet werden müssen.

Glücklicherweise überlebten ein paar Kopien des Films im Ausland und machten den Film immer populärer.

Friedrich Wilhelm Murnau hat sich nicht nur als Regisseur um Nosferatu verdient gemacht, sondern spielte lange vor Alfred Hitchcock als Statist im eigenen Film mit.

In einer Szene gegen Ende des Films ist Murnau zusammen mit seinem Lebensgefährten und Assistenten Walter Spies zu sehen. Sie lauschen entsetzt dem Bericht einer alten Frau, die ihnen vom Bösewicht Knock erzählt, der den Gefängniswärter erwürgte. Um in der kurzen Szene mit Spies und der Frau auf gleicher Höhe zu agieren, beugt sich Murnau tief zu ihr herab, denn seine imposante Erscheinung überragte normalerweise alle Gesprächspartner um eine Kopflänge - Murnau war 1,93m groß.

Murnau und Spies trennten sich nach der Produktion des Films, aber der Fluch des Nosferatu schien ihren weiteren Lebensweg zu bestimmen.

Walter Spies wollte 1923 die exotische Welt Indonesiens erkunden. Als ungelernter Leicht-Matrose heuerte er auf der SS Hamburg an, um billig nach Indonesien zu reisen. In Java flüchtete er vom Schiff und fand schließlich eine neue Heimat auf der Nachbarinsel Bali. Dort arbeitete das Universalgenie Spies als Musiker, leitete ein Orchester am Fürstenhof, brachte westliche Unterhaltungsmusik auf die Insel und beschäftigte sich mit traditioneller balinesischer Gamelan-Musik. Als bildender Künstler reformierte er die balinesische Malerei und wurde zu ihrem berühmtesten Vertreter. Die mystischen Gemälde von Spies zeigen balinesische Landschaften, Reisfelder, Bauern bei der Arbeit oder leicht surreale Jagdszenen - alles in magisches Licht getaucht. Die Gemälde erzielen heutzutage im Kunsthandel siebenstellige Beträge. Spies starb am 19. Januar 1942 im Indischen Ozean. Er war als ziviler Kriegsgefangener auf dem holländischen Gefangenentransportschiff Van Imhoff auf dem Weg nach Ceylon. In der Nähe der Insel Nias wurde die Van Imhoff von einem japanischen Flugzeug bombardiert und die Besatzung verließ das sinkende Schiff auf Rettungsbooten, ohne sich um die über 400 eingesperrten deutschen Zivilisten an Bord zu kümmern.

Auch Friedrich Wilhelm Murnau starb keines natürlichen Todes: Am 11. März 1931 kam er bei einem Autounfall in der Nähe von Santa Barbara in Kalifornien ums Leben - eine Woche vor der Premiere seines Südsee-Films Tabu. Am Steuer des Wagens saß sein Diener Garcia Stevenson, der kurz zuvor das Steuer vom eigentlichen Chauffeur übernommen hatte. Diener und Chauffeur überlebten den Unfall.

Jörg Joachim Riehle